Chemisch betrachtet wird Glycerin den Alkoholen zugerechnet. Es ist genaugenommen ein sogenannter 3-wertiger Alkohol. Doch während viele um die Inhaltsstoffe (INCI) Alcohol denat. oder Alcohol einen Bogen machen, handelt es sich bei Glycerin um einen Vertreter der „guten“ Alkohole. Ein Grund hierfür ist die stark wasseranziehende Eigenschaft des Glycerins, die sich überaus positiv auf den Hautzustand auswirkt. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil Glycerin gut in die oberste Hautschicht eindringen kann: es ist ein sehr kleines Molekül und löst sich sowohl in Wasser als auch in Fett.
Auch wenn das in Hautpflegeprodukten verwendete Glycerin meist synthetisch gewonnen wird, handelt es sich von Haus aus um einen hauteigenen Pflegestoff. So entsteht Glycerin unter anderem bei der Spaltung von Fetten. Diese finden sich unter anderem in der Haut (als Bestandteil der Hautbarriere), aber auch auf der Haut (Sebum).
Sebum oder auch Talg entsteht im Innern der Talgdrüsen aus abgestorbenen Hautzellen. Es ist ein heterogenes Gemisch aus Fetten (Triglyceride), Squalen, Wachsen und Fettsäuren, das Haut und Haare mit Fetten versorgt, um diese vor dem Austrocknen zu bewahren. Wird zu viel Sebum produziert (Seborrhoe), so zeigt sich dies in einem fettigen bis öligen Hautzustand, zu wenig Sebum (Sebostase) dagegen lässt die Haut trocken und bisweilen rissig erscheinen.
Die Produktion von Sebum lässt sich, entgegen vieler im Umlauf befindlicher Tipps, übrigens kaum durch die Ernährung beeinflussen. Stattdessen ist dies vor allem ein hormoneller Prozess. Durch Testosteron werden die Talgdrüsen zur Sebumproduktion angeregt, Östrogen hingegen wirkt hemmend.
Wasser ist für die normale Funktion der Haut und insbesondere ihrer äußeren Schicht, der Hornhaut (auch Stratum corneum), essentiell. Daher sollte über die Haut nicht zu viel Wasser verloren gehen. Das zu verhindern ist Aufgabe unserer Haut und unserer Hautbarriere. Zusätzlich kann man den Wasserverlust auch über eine geeignete Hautpflege reduzieren. Hierbei kommen Pflegestoffe und Feuchthaltemittel wie etwa Glycerin ins Spiel.
Feuchthaltemittel wie Glycerin können den Feuchtigkeitsgehalt der Haut verbessern, indem sie den transepidermalen Wasserverlust (TEWL) reduzieren. Es entweicht also weniger Wasser aus der Haut nach außen.
Glycerin taucht aufgrund seiner Eigenschaften in nahezu jedem Pflegeprodukt auf. In Cremes bildet Glycerin gemeinsam mit Wasser und/oder Ölen die Basis vieler Produkte. Aber auch in leichten Lotionen und Seren kommt Glycerin vielfach zum Einsatz, denn es pflegt die Haut, ohne sie zu beschweren und macht sie geschmeidig.
Eine Art urbaner Mythos ist, dass Glycerin schlecht für die Haut sei. Das geht auf die stark wasseranziehende Eigenschaft des Glycerins zurück. Einerseits ist diese Eigenschaft durchaus gewollt und auch der Grund, weshalb fast alle Hautpflegeprodukte Glycerin enthalten, andererseits kann es auch zu viel des Guten werden. Wird nämlich über die Umgebung (z. B. Luftfeuchtigkeit) oder das Hautpflegeprodukt nicht ausreichend Wasser bereitgestellt, zieht sich Glycerin das Wasser aus den tieferen Hautschichten der Haut. Dies kann theoretisch zu einer Austrocknung und Reizung der Haut führen.
Doch das ist mehr Theorie als ein tatsächliches Problem und tritt erst ab sehr ab sehr hohen Glycerinkonzentrationen auf (ca. 15-20 %). In Pflegeprodukten für das Gesicht finden sich meist 3-5 % Glycerin, in Produkten für den Körper kann es auch mal mehr sein. In diesen Mengen eingesetzt überwiegen stets die feuchtigkeitsspendenden und pflegenden Effekte des Glycerins.
„Wer versteht, wie kosmetische Inhaltsstoffe agieren, setzt den ersten Schritt für eine wirksame Hautpflege“, sagt Dr. Sarah Schunter. Als promovierte Biochemikerin entwirrt sie mit Vorliebe die oftmals kryptischen Inhaltsstofflisten von Hautpflegeprodukten: was steckt drin und wie wirkt es. Sie ist überzeugt: Mit diesem Wissen kann für jeden Hauttyp und jeden Hautzustand die richtige Pflege ermittelt werden.
Literaturangaben
Verdier-Sévrain and Bonté, Skin hydration: a review on its molecular mechanisms. J Cosmet Dermatol. 2007 Jun;6(2):75-82. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17524122
Fluhr et al., Glycerol and the skin: holistic approach to its origin and functions. Br J Dermatol. 2008 Jul;159(1):23-34. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18510666
Bettinger et al., Influence of a pretreatment with emulsions on the dehydration of the skin by surfactants. Int J Cosmet Sci. 1994 Apr;16(2):53-60. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19250496